Liebevoll hauchte Sabrina einen Kuss auf das haarige Etwas in ihrer Hand. Da
War so viel Liebe in ihr. So viel Hingabe und Zärtlichkeit. Dann ließ sie es
Zurück in die Schatulle gleiten und die in den Bettkasten. Der Ort, der
Prädestiniert war für Geheimnisse jeglicher Art. Ein Ort des Schweigens
Sabrina wandte sich den täglichen Notwendigkeiten zu: Fingernägel lackieren
Sie holte Nagelset, Nagellackentferner, Wattebäuschchen, Nageltinktur,
Nagellack — und legte los. Noch immer spürte sie das zärtliche Gefühl in sich.
Sie warf einen Blick zum Bettkasten. Dann summte sie eine langsame Melodie
während sie ihre Fingernägel vom Nagellack befreite
Ein Ort des Schweigens
Sabrinas Fingernägel zeigten jetzt wieder ihre natürliche Farbe: Schwarz
Oder ein tiefes Violett. Die Farbe rührte von unzähligen Blutergüssen her
Und die wiederum daher, dass sie — wann immer ihr seelischer Schmerz
Unerträglich wurde — die Spitze einer Steck-nadel zwischen Nagel und Fleisch
Schob
Sie konnte sich kaum daran erinnern, wann sie sich dieser Technik zum ersten
Mal bedient hatte, oder wie sie sie ersonnen hatte. Aber die erinnerten Bilder
von ihren schwarzen Fingernägeln reichten weit in ihre Kindheit zurück.
Ihre Mutter war früh verstorben. Selten hatte ihr Vater eine
Gelegenheit ausgelassen, ihr den Tod ihrer Mutter vorzuwerfen. Nicht selten
War ihm dabei die Hand ausgerutscht. Und manchmal die Faust. Und irgendwann
hatte eine Dame vom Jugendamt sie ihrem Vater weggenommen. Sabrina war dann mit
vielen anderen Kindern zusammen aufgewachsen. Eine unbeschwerte Zeit
Aber ihre Marotte mit den Nadelspitzen hatte man ihr dort nicht austreiben
Können. Man hatte nur erreicht, dass sie unauffälliger damit fortfuhr
Nagellack war ihre Antwort auf verräterische Spuren
Auch jetzt, während sie ihren Gedanken nachhing, steckte eine Nadelspitze in
Ihrem Fleisch, ein Automatismus, den sie nicht mehr zu kontrollieren
Vermochte. Das schmerzverzerrte Gesicht, das sie zog, war so sehr Ausdruck
ihrer selbst geworden, dass sich feine Linien, wie eine Maske, in ihren Zügen
festgesetzt hatten. Sie zog die Nadel vorsichtig heraus. Das tat fast so weh,
wie sie hinein zu schieben. Dunkelrotes Blut tropfte auf den Boden
Arved hieß der Mann, den sie liebte. Geschlagene eineinhalb Jahre hatte sie
Um seine Liebe gebuhlt. Versucht, seine Gedanken zu lesen, ihm Wünsche zu
Erfüllen, an die er selbst noch nicht einmal gedacht hatte. Amüsant, schön
Und geistreich — das hatte sie versucht für ihn zu sein. Und pflegeleicht
Was hatte er versucht, für sie zu sein?
Egal, sie hatte immer gewusst: eines Tages würde er sie so lieben wie sie
Ihn. Ihre Beziehung zu Arved, war nie «offiziell» geworden. Nie hatten sie
Mit gemeinsamen Freunden ihre Abende verbracht. Lediglich ins Kino waren sie
öfter gegangen. In der dunklen Intimität der Lichtspieltheater hatte er
Manchmal seinen Arm um sie gelegt. Dann dachte sie schon, sie hätte ihn
Gewonnen. Doch sobald das Licht wieder anging, war der Zauber dahin
Heute war Arved ganz anders. Heute gehörte er vollständig ihr. Aber es war
Ein schmerzhafter Weg gewesen bis diese glücklichen Zeiten hatten anbrechen
können. Auch für ihn. Heute waren sie auf eine leise Art eins
Der Auftakt zu dieser Entwicklung war wie ein Paukenschlag über sie gekommen.
Ihr war klar geworden, dass Arved Gefangener seiner emotionalen
Unzulänglichkeit war. Und dass nur sie ihn befreien konnte. Mit der Zeit begann
sie es als ihre Pflicht anzusehen, zu tun, was das Beste für ihn war
An jenem Abend waren sie beide dem Rotwein sehr zugetan gewesen.
Der Wein half ihr, die Dinge klarer zu sehen: Während sie zu Beginn des Abends
noch unsicher gewesen war, ob sie ihr Vorhaben in die Tat umsetzen sollte
Erkannte sie mit fortschreitender Stunde immer deutlicher die
Unausweichlichkeit. Schließlich tat sie es doch für ihn!
Ein Nudelholz hatte sie Arved wuchtig über den Schädel gezogen. Als sie
Seine Knochen krachen hörte, wusste sie, dass es kein Zurück gab
«Eine Frau muss tun, was eine Frau tun muss», hatte sie geflüstert und
Begonnen, seinen Leichnam mit einem Messerset zu zertrennen
Ganz konzentriert war sie vorgegangen und immer, wenn ihre Nerven durchzudrehen
drohten, schob sie sich eine Nadelspitze unter einen Fingernagel.
In derselben Nacht war sie mit dem Auto an entlegene Stellen gefahren — einen
Wald, eine Müllhalde, einige seiner Körperteile hatte sie in den Fluss geworfen
Nur einen einzigen Teil hatte sie aufbewahrt: seinen Kopf
Nur einen einzigen Teil: seinen Kopf
Sie hatte dann ein besonders scharfes Messer mit glatter Klinge benutzt, um
Die Haut inklusive der Haare von Arveds Kopf abzuziehen. Sein Haar, verklebt
Von Blut und Partikeln seines Gehirns, hatte sie mit seinem Lieblingsshampoo
Gewaschen, damit es wieder so weich und duftig wurde, wie sie es kannte
Das Abziehen der Haut war mühevoll. Nach einigen Fehlversuchen hatte sie seine
Lippen zusammen genäht, um zu verhindern, dass die Haut einriss
Die labbrige Hülle, die sie mit viel Geduld und Fingerspitzengefühl von den
Knochen abgetrennt hatte, legte sie in kochendes Wasser
Mit fast wissenschaftlichem Interesse hatte sie verfolgt, wie der Lappen,
der einmal Arveds Gesicht gewesen war, immer kleiner wurde und — wie zum
Ausgleich dafür — dick und ledrig. Dann hatte sie kleine, erhitzte Steine in
den
Hohlraum gefüllt. Das hatte den Kopf — sofern man ihn noch so bezeichnen
Konnte — nochmals Schrumpfen lassen. Genau wie es in den Büchern beschrieben
wurde
Danach kam er in den Räucherofen. Acht Stunden später hatte sie das dunkle,
schrumpelige Ergebnis herausgeholt. Bei näherer Betrachtung fand sie,
dass seine Züge zu wenig Ähnlichkeit mit denen aufwiesen, die sie an Arved so
geliebt hatte. Also hatte sie ein wenig nachmodelliert. Schließlich hatte sie
gewusst, dass sie noch oft in dieses Antlitz blicken würde
Seitdem war die Schatulle im Bettkasten sein Zuhause. Jeden Abend holte sie
Arved heraus. Er wartete immer ungeduldig auf sie. Zärtlich küsste und
Herzte sie dann den faustgroßen Schrumpfkopf, versicherte ihm, dass sie ihn
Liebte. Und er antwortete ihr, dass er sie ebenfalls liebte
Ja, sie führten innige Gespräche. Jeden Abend. Er war ihr dankbar für das
Was sie für ihn getan hatte. Er war jetzt glücklich. Und sie waren ganz
Eins. Manchmal bedauerte sie, dass sie nur seinen Kopf aufbewahrt hatte.
Zu gern hätte sie gelegentlich seine starken Arme um sich gespürt.
Manchmal spielte sie mit dem Gedanken, einen anderen Körper zu konservieren,
um sich der Illusion hingeben zu können, es seien Arveds Arme. Aber den
Gedanken verwarf sie jedes Mal wieder
Den Gedanken verwarf sie jedes Mal wieder
Das wäre einfach nicht dasselbe gewesen
TanyaRADA пишет:
- спасибо! От Души!!! ( Улыбаюсь...)все так!!!Liza пишет:
Любимая песня моей мамы